Winfried Bachler OSB
In meiner frühen Schulzeit blätterte ich gerne im Religionsbuch „Biblische Geschichten“. Die Bibel selbst war mir noch zu umfangreich und vor allem auch zu kompliziert. Aber die meist sehr lebhaft erzählten biblischen Geschichten und die Bilder zu den einzelnen Geschichten eröffneten mir zumindest den Zugang in die Welt der Bibel, die mir inzwischen über mehrere Stationen und Wege zu meinem persönlichen Lebensbuch geworden ist.
Seit meinem Eintritt ins Benediktinerkloster St. Peter und vor allem auch durch das Studium hat sich in mir vieles getan. Seither steht die Bibel im Mittelpunkt meines Lebens. Im Kloster beten, lesen und hören wir im Laufe eines Tages sehr oft aus der Bibel: beim Stundengebet, bei der Messfeier, bei der Tischlesung. Bei all dem Vielen bedarf es für mich allerdings immer wieder eines gewissen Anstoßes, damit ich nicht einfach so hinhöre und dann wieder alles vergesse, sondern dass ich zumindest einige Worte als das Wort an mich und für mein Leben aufschnappe und integriere.
Eine sehr wichtige Station wurde mir bald die Begegnung mit der Bibel in der Feier der Liturgie. Von daher erfahre ich es auch als eines der größten Geschenke des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass nun bei der Messfeier der Tisch des Wortes viel reicher gedeckt ist, so in der Lectio continua (fortlaufende Lesung).
Abgesehen von speziellen Gruppenmessen, die eine Auswahl bestimmter biblischer Lesungen einfordern, bemühe ich mich, die für den jeweiligen Tag vorgesehenen Perikopen zu nehmen. Das „zwingt“ mitunter, mich mit den Texten sehr intensiv zu beschäftigen und deren „Botschaft“ an die jeweilige Feiergemeinde herauszuhören. Dabei bin ich selbst oft sehr überrascht, was auf diese Weise Neues wachsen kann. Es bestätigt sich das Wort des Papstes Gregor d. Großen: „Die Heilige Schrift wächst mit dem Maß, mit dem der Leser sie liest.“
P. Winfried Bachler OSB
Sekretär der Liturgischen Kommission für Österreich